Neue Formen digitaler Zusammenarbeit


Dialogbasiere Zusammenarbeit in einem virtuellen Team

 

Eine Gruppe von erfahrenen PraktikerInnen in den Themenfeldern Wissensmanagement und Wissenstransfer hat sich in einer virtuellen Arbeitsgruppe zusammengeschlossen, um eine Mustersprache zum Wissenstransfer zu schreiben.

Die Gruppe hat in diesem Projekt eine neue Form der Kollaboration erprobt, die von folgenden Merkmalen geprägt ist:

Explikation von Erfahrungswissen: alle 5 ExpertInnen verfügen über einen großen Erfahrungsschatz, da sie über Jahrzehnte zahlreiche Wissenstransferprozesse durchgeführt haben. Eine Herausforderung im gemeinsamen Projekt war, wie man dieses implizite Erfahrungswissen explizieren und damit für Andere zugänglich machen kann.

Vergemeinschaftung von Erfahrungswissen: Erfahrungen sind im Gegensatz zu Meinungen, Entscheidungen oder Bewertungen weder richtig noch falsch. Sie sind für den oder diejenige, der sie gemacht hat, wahr und real. Sie sind eine Erinnerung an bestimmte Situationen, in denen ein Problem gelöst, eine Entscheidung getroffen, eine Handlung erforderlich war. Die Arbeitsgruppe hat in der digitalen Kollaboration mithilfe des Instrumentes der Mustersprachenentwicklung die individuellen Erfahrungen vergemeinschaftet und zu einem gemeinsamen mentalen Modell verdichtet. Dazu waren gewisse Haltungen, Werte und Techniken notwendig, um diese neue Form der Wissensteilung und -anreicherung zu ermöglichen:

  • Dialog-basiert statt diskussions-basiert: Wir hören solange zu, bis wir verstehen. Wir versuchen nicht, einander zu überzeugen. Wenn sich die Erfahrungen der Einzelnen widersprechen und diametral entgegengesetzte Lösungswege fordern, gilt das „sowohl als auch“ als Prinzip: keine einzelne Lösung ist besser als die andere, denn alle Lösungen basieren auf dem Erfahrungswissen einer Community of Experts.
     
  • Ambiguitätstoleranz: Um einander widersprechende Lösungswege in einer bestimmten Wissenstransfer-Situation nebeneinander als gleichwertig stehen lassen zu können, benötigen die Beteiligten an dieser neuen Form der Kollaboration ein hohes Maß an Ambiguitätstoleranz.
     
  • Wertegemeinschaft: wir haben die gleichen Werte, die uns auch im Wissenstransfer leiten. Möglicherweise ist ein gemeinsamer Wertekanon die wichtigste Voraussetzung, um eine Vergemeinschaftung von Erfahrungswissen bewältigen zu können/zu erreichen
     
  • Erfahrungs-geleitet statt Annahmen-geleitet: das wohl größte Unterscheidungsmerkmal zu anderen Formen der Kollaboration ist die konsequente Arbeit mit den unterschiedlichen Erfahrungen der Beteiligten. Damit gehen wir als Arbeitsgruppe induktiv bei der Theoriebildung vor und können und wollen zudem verschiedene Theorien nebeneinanderstellen. Denn alle Perspektiven sind "wahr" – die Auseinandersetzung ist evidenzbasiert und es kommt zu einer evolutionären Anreicherung der Grundannahmen durch das Teilen unserer Erfahrungen (Die Evolution besteht darin, dass einzelne Muster entworfen und im gemeinsamen Dialog weiterentwickelt werden, bis die Beschreibungen verständlich und für andere anwendbar erachtet werden.). Das Format der Mustersprache erlaubt das Nebeneinanderstellen neuer Muster, die unterschiedliche Lösungsansätze (und die damit verbunden Grundannahmen/Theorien) auf vergleichbare Wissenstransfersituationen vermitteln.

Diese neue Form des gemeinsamen Denkens und Arbeitens in einer Community of Experts fand in einem über zwei Jahre laufenden, rein virtuellen Setting statt, in dem sich die Beteiligten außer einer Person, die alle persönlich kannte, teilweise zuvor nicht kannten.

Das Ergebnis dieser neuen Form der Kollaboration ist eine Mustersprache zum Wissenstransfer, die Anderen das vergemeinschaftete Erfahrungswissen einer Community of Experts vermittelt.

 

Mögliche Forschungsfragen:

  • Welche gemeinsamen Werte machen eine evidenzbasierte virtuelle Kollaboration möglich?
  • Was sind die Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren für diese neue Form des gemeinsamen Denkens und Arbeitens?
  • Inwieweit sind solche Kollaborationsformate von Communities of Experts bereits in anderen Arbeitskontexten, der Gesellschaft oder der Politik zu beobachten?
  • Was sind die Mehrwerte für Kollaboration, Wissensgewinn und Wissensteilung, wenn die hier zu identifizierenden Merkmale dieser neuen Form der Zusammenarbeit zu Leitprinzipien werden würden?

Einsatz digitaler Werkzeuge bei der Mustersprache-Entwicklung

Damit ein so komplexes Gebilde wie eine Mustersprache in virtueller Zusammenarbeit entstehen kann, werden digitale Werkzeuge benötigt, die sowohl den Arbeitsprozess selbst als auch die Ergebnisdarstellung unterstützen. Der Werkzeugeinsatz wurde den Teamerweiterungen und dem Entwicklungsfortschritt der Mustersprache entsprechend angepasst, wie im folgenden dargestellt.

Zwei örtlich weit voneinander getrennte Autor:innen haben mit der Entwicklung der Mustersprache begonnen. In weiterer Folge kamen weitere drei, ebenfalls örtlich verteilte Expert:innen hinzu. Sie bilden nach wie vor den Kern der Autor:innen-Gruppe. Bei einigen wenigen Mustern kamen weitere Entwickler:innen temporär zum Einsatz.

Aus den oben genannten Anfängen der Entwicklung waren für die kleine Autor:innen-Gruppe zunächst Werkzeuge mit dem Fokus Kommunikation und Artefakte von besonderer Bedeutung (siehe Abb. 1). Für die digitale Zusammenarbeit genügte ein Online-Meeting-Tool aus der Kategorie kommunizieren, für die Produktion der Inhalte ein Textverarbeitungssystem aus der Kategorie veröffentlichen. Die Textdateien wurden per Mail ausgetauscht. Gelegentlich waren Werkzeuge aus der Kategorie visualisieren von Nöten, um Strukturen und Zusammenhänge sichtbar machen zu können (zu Kategorien siehe Mittelmann 2019, S. 17-19).

Werkzeug-Kategorien

Abb. 1: Kategorien für digitale Werkzeuge im Wissensmanagement

Mit der Erweiterung der Autor:innen-Gruppe ging die Ausweitung des Tooleinsatzes auf die Kategorie zusammenarbeiten einher. Die Arbeits- und Ergebnisdokumente wurden in einem eigenen Workspace abgelegt, auf den jede:r Autor:in Zugriff hatte. In diesem Toolsetting war es sehr wichtig, dass jede:r den aktuellen Status der Dokumente kannte und immer an der neuesten Version weiterarbeitete.

Je mehr Muster entwickelt wurden und damit die Vernetzung zwischen den Mustern in Form von strukturellen und inhaltlichen Beziehungen zunahmen, umso mehr stieg auch die Notwendigkeit für ein Tool, das Knüpfen und Visualsieren dieser Zusammenhänge unterstützt. Diese Anforderungen wurden erst mit dem Einsatz eines Werkzeugs erfüllt, das integriert Funktionen aus den Kategorien zusammenarbeitennetzwerkenteilenvisualisieren und suchen zur Verfügung stellt. Durch den Einsatz dieses Werkzeugs konnte ein deutlicher Qualitätssprung bei der Entwicklungsarbeit erreicht werden.

Digitalisierungsstufen

Stufen erklären anhand Mustersprache-Entwicklungsmethode (Mustersprachenentwicklungsmethode)

Ein Bild, das Schrift, Screenshot, Symbol, Grafiken enthält.

KI-generierte Inhalte können fehlerhaft sein.

Referenzen

Mittelmann, Angelika (2019): Wissensmanagement wird digital, Norderstedt: Book on Demand.

 

 

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